Der (Um)Weg ist das Ziel (?)
Mélanie hatte mir angeboten, ruhig noch einen Tag länger zu bleiben, falls ich Bedarf hätte, und je länger ich überlegte, desto eher hatte ich. Bedarf zum Nachdenken, zum Sortieren, schreiben wollte ich auch noch, und außerdem wäre die nächste Etappe ja auch noch zu planen, das war noch ganz stiefmütterlich behandelt. Außerdem – wann kommt man je in den Genuss, in einem Turm zu wohnen? Mit Kaminofen noch dazu. Voll gemütlich. Mit Melanie ließ es sich außerdem so gut fachsimpeln, da langte ein Abend eh nicht.
Also blieb ich und faßte in der Ruhe den Entschluss, mich für das letzte Stück auch noch vom Packsattel zu trennen. Das hieße, das Gepäck noch um einiges zu erleichtern. Die Reiseapotheke aufs Aller-aller-Notwendigste eingeschrumpft, das Zelt samt Matte weggelassen, zwei TShirts und die Leggings, nach Checken der Wetterlage auch noch die warme Jacke, einiges vom Proviant aufgegessen, Packsattelwerkzeug bräuchte ich dann auch keines. Die Säge? Waren schon ewig keine Bäume mehr am Weg. Bleiben somit zwei reitfähige Hosen, zwei T-Shirts, Unterwäsche, Isipulli, Blasenpflaster, Metacam, Drachenblut, Waschmittel, Beautycase, Handtuch, Fressalien, Putzzeug, Zaunlitze, Reserveschuhe, Kabelbinder, das Notebook samt Technik, die Papiere und der Schlafsack. Alles wasserdicht verpackt. Die Plane blieb nämlich auch. Also alles umgepackt und geschaut, und siehe da, es paßte alles in die fünf Behältnisse, die noch da sind, also zwei Hinterpacktaschen, zwei Vorderpacktaschen und mein kleiner Rucksack. Hinterm Sattel noch das Regenzeug und die Zaunstäbe. Ohne Zaun geh ich nirgends hin. Ohne Kabelbinder auch nicht.
Solchermaßen reduziert machte ich mich dann auf den langen Weg nach Moissac. Schon am Plan gab das 33 km, das war etwas ambitioniert, aber nachdem ein Ruhetag eingelegt war (an dem ich die ganze Takelage mal anprobiert hatte), sollte das zu schaffen sein. Frühstart-Rekord. Um zehn vor neun war ich on the road. Und das ganz ohne Stress. Das Wetter genauso märchenhaft wie der Ort, dunstig am Morgen, später sonnig, dann wolkig.
Ein Zwischenkapitel widme ich jetzt meiner Gabi.
Alle, denen die Technik eher wurst ist, können den Absatz gerne überspringen. Bereits am Tag 5 meiner Frankreichtage hatte mich die Technik etwas frustriert, da es ein paar Widrigkeiten mit dem GPS gibt, auf die man erst nach intensiver Recherche kommt. Zum Beispiel sollte man nicht zwei Tracks mit dem gleichen Beginn auf Gabi übertragen – etwa als Varianten. Das schmeckt ihr nämlich nicht und es wird nur einer angezeigt. Auch wenn man den alten löscht – es werden immer mehr, fehlerhafte. Das gleiche Problem hatte ich ein paar Mal, bis ich dahinterkam, wie man das Problem lösen kann. Entweder anderen Beginnort oder beim Speichern eine höhere Zahl bei der Nummerierung nehmen (wenn man mit Wanderreitkarte.de arbeitet) Dummerweise tut Gabi das inzwischen auch ohne Fehler meinerseits... So, nun hatte ich bereits in Montbrison das Thema, dass das Notebook streikte, was es prompt wieder getan hat, warum, kann man nicht feststellen, es wacht dann nach völliger Entleerung und Neuladung der Batterie wieder auf. Bereits da kroch in mir so das Gefühl hoch, nicht mehr so (viel) planen zu können, zu müssen, oder zu sollen, oder eben sich dem Verlauf des markierten Weges auszusetzen. Es hat schon eine andere Qualität, ob man nach GPS reitet oder nach dem Verlauf der Markierungen Ausschau halten muss. Ebenso macht es einen Riesen Unterschied, wer das GPS Gerät hat – eine Zeitlang hatte ja die Mitreiterin die Navigation übernommen, das fühlte sich wieder ganz anders an. Aber jetzt. Seit dem Wochenende kriege ich keinen Track mehr geladen, das Laufwerk wurde als „fehlerhaft“ vom notebook bemäkelt, obwohl es trotzdem ging, ich rettete mich noch ein zwei Tage mit der Speicherung von Routen statt Tracks, aber jetzt geht auch das nicht mehr. Vielleicht ist der Speicher voll, ich weiß es nicht. Löschen bringt nämlich auch nix. Ich bräuchte halt einen Experten, der das Ding neu aufsetzt. Im Klartext: Planen geht nicht, schauen schon. Seitdem hilft mir nur noch der Blick auf die rot-weiße Markierung des GR65, und die ungefähre Kontrolle, wo ich mich befinde. Das geht zum Glück noch immer. Letztes Mal aber hat beim Starten des Gerätes gar die Anzeige aufgeleuchtet, dass ein Fehler vorliegt. Da bekommt man dann schon ein leichtes Gefühl des Ausgesetzt-seins. Wehe, wenn Markierung UND Gabi abhanden kommen. Da könnte noch das Telefon herhalten, aber mit dem stehe ich auf Kriegsfuß.
Also gut. Setzen wir uns aus. Zum einen den unergründlichen Schleifen und Umwegen des GR65, des französischen Weitwanderweges von den Alpen bis zu den Pyrenäen, zum anderen der Reduktion auf das wahrhaft Wesentliche, abseits von Durchschnittstempo, Kilometerkontrolle und Positions-Check. Es scheint, als wolle der Technik-Streik genau dies von mir. Ende des Technik-Kapitels.
Aufgrund der gerade beschriebenen "leichten technischen Unwägbarkeiten" wurden aus den 33 km natürlich ein paar mehr, besonders nachdem ich jetzt nur noch auf der Jakobsweg-Route entlang ging, was in der Planung noch nicht berücksichtigt war (als der laptop noch nicht im Streik lag). Allerdings, durch den frühen Start konnten wirs uns einteilen, so hatten wir bei der Vormittagspause bereits 8 km drauf. Saeta war ein wenig schlapp heute, eigentlich wollte ich sie reiten, aber so… dackelte sie Maja brav hinterdrein, für meinen Geschmack fast zu brav. Dass ich das mal sagen würde…
Es war auch relativ warm, um die knapp 20 Grad, nun merkt man, dass man im Süden ist. So kam ich auch wieder mal in ´s Schwitzen, hab ich eigentlich gar nicht vermißt, aber gut, übers Wetter klage ich sicher nicht. Auf teilweise ziemlich schlammigen Pfaden kämpften wir uns auf- und abwärts (die Straße wäre sicher kürzer und weniger anstrengend gewesen, aber man folgt ja brav der Markierung), und dann war seit langem wieder mal einer meiner Freunde im Weg, ein umgefallener Baum. (! Wo ist noch mal die Säge?) Für die Wanderer kein Thema, die bücken sich, oder kraxeln, aber für uns. Hmpf. Ausweichweg durch die Dornen. Ich fluchte, ich gebs zu, und schwor mir, ab sofort nehmen wir die Straße. Tja, das taten wir auch, das war eh der Weg. Nicht ganz, einmal zuviel Straße, und irgendwann kamen wir in Moissac an, es war bereits recht gräulich, weils zu nasseln begann. Nicht viel, aber für schlechte Sicht genug. Mein neuer Trick auf der Straße zum Überleben ist es, das rote Rücklicht mit der extrem hellen, fast Augenkrebs verursachenden Blinkerei, Arm ausgetreckt, direkt auf die Autos zu richten. Siehe da, wenn sie auch nicht alle langsamer werden, der Abstand wird immer besser. Die haben entweder Angst vor roten Metastasen oder sind schon mal von so einem amtlichen Rotlicht gestoppt worden. Mir egal warum, aber sie lassen mich in Ruhe jetzt.
Das letzte Stück des Weges nahm ich trotzdem nicht durch die Stadt, sondern oben herum, was noch mit etwas Sucherei verbunden war, aber die netten Leute von der Unterkunft „L' ancien Carmel“ kamen höchstpersönlich und eskortierten mich von meinem etwas verlorenen Posten am Parkplatz zur sehr schönen Gite. Die Mädels wurden einfach an Ort und Stelle ausgelassen, weil der Garten ja fest umzäunt sei, da könnten sie nix anstellen. Mitten in der Stadt. Sie betätigten sich dann wieder als Rasenmäher, während ich im hiesigen Hotel (einziges offenes Lokal) ein Abendessen einnahm. Zum Kochen hatte ich nach der langen Tour nämlich weder Zeit noch Lust.
Mein Freund, der Baum... rechts zu niedrig, links gatschig und abschüssig.
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