Ganz leicht
Keinen Packsattel zu haben, erleichtert das Leben ungemein. Ein Pferd nur so extra, das geht leicht, aber wenn dann noch alles Gepäck immer equilibriert werden muss, fünfmal wiegen, bis alles paßt,… ächz. Ich hätte gar nicht gedacht, dass das Weglassen eine derart große Befreiung wäre. Von nun an nicht mehr eine Stunde Vorlaufzeit fürs Packen, in 15 Minuten ist alles erledigt.
Nach der gestrigen Ochsentour gings heute nur 18 km, und nur im Flachen. Das war eine Offenbarung. Zunächst dackelten wir zum Bahnhof, wo natürlich mal wieder die Markierung aufhörte (wir erinnern uns: Folge dem Pfad… nur, wo isser?) und ich die Mädels kurz am sattgrünen Bahnhofsgras abstellte. Falls sich jemand fragen sollte, ob die beiden zugsicher sind, antworten sie eher, was denn ein Zug sei? Etwa das geräuscherzeugende vorbeiziehende schlangenförmige Etwas, das beim Fressen nicht mal stört? Da schütteln sie nur den Kopf und fressen weiter.
Städte und die Markierung, das ist immer so eine Sache, der Weg führt dich in die Stadt hinein, und läßt dich dann dort verhungern, zumindest was die Wegfindung betrifft. Für den Fußpilger ist das ja ganz okay, er kann in Ruhe Ausschau nach der nächsten Bäckerei, der gite oder der Wasserstelle halten, da verhungert er meist nicht, er kann mal schlendernd eine Anzeigetafel oder den Plan studieren und dann weitergehen. Aber mit den beiden Hexen an der Hand mit tempomat-eingestelltem Schritttempo ist das meistens etwas schwieriger, denn ich kenne mich in dicht bebautem Gebiet selbst mit Gabis Hilfe nicht gut aus, weil immer gleich wieder eine neue Kreuzung kommt, ich kann ja nicht ständig aufs GPS glotzen. Stehenbleiben ist auch nicht immer prickelnd. Da muss dann der Übersichtsplan von mapy weiterhelfen, zumindest die grobe Richtung finden und dann den Heiligen Antonius ums Finden der nächsten Markierung bitten. Hilft meistens, aber nur, wenn man sich nicht vorher ärgert, weils so lange dauert, weil dann steht man sich selber im Weg.
Am Ende hilft er immer, der Heilige, vor allem, wenn man seine Kollegen auch noch drum bittet. Der Rest des Weges war heute absolut batterieschonend, da konnte man sich nicht verlaufen, immer am kleinen Kanal entlang. Der war zwar interdit pour chevaux, aber von Ponys stand da nix… 😉 Das war ein Spazierweg mit sozusagen Flüsterasphalt, man hörte kaum die Hufeisen, vielleicht war das eine lauffreundliche Mischung, die Ponys wollten lieber da drauf als im Wiesenstreifen gehen. Der Tisch war auch reichlich gedeckt am Kanal entlang, und wir machten reichlich Fresspausen, denn man weiß ja nie. Zeit war ja genug und das Wetter ein Traum. Gefühlt ist hier September, Anfang Oktober, das Laub färbt sich schön gelb, vieles ist noch grün. Mancherorts wachsen die Palmen oder Eukalypten, man merkt, man ist schon weiter südlich. Auf Höhe von San Marino in Italien etwa. Von Frost et cetera kriegen die hier nicht so viel ab. Wasserrohre sind auch nur sehr vereinzelt isoliert.
Mein heutiges Ziel war ähnlich wie im Flachland von Bresse – keiner daheim, aber ich könnte ruhig kommen, der Schlüssel sei da und dort. Dies hatte mir Philippe freundlicherweise organisiert in der Früh. Das ist Pilgergeist – Frédéric, der Besitzer der Gite, ist selber gerade am Pilgern, aber hat ein offenes Ohr und Haus und Herz für die anderen. Nach telefonischer Anweisung quartierte ich uns ein, die Mädels mampften mit Vergnügen das reichlich vorhandene Gras und ich marschierte noch nach Auvillar, denn meine eiserne Reserve an Essen wollte ich nicht ohne Not anreißen, wenn es eine andere Möglichkeit gab. Im Dunkeln musste ich die Brücke über die Garonne überqueren, fast ein lebensgefährliches Unterfangen, zum Glück stecke ich mir jetzt immer meine Lampen zum Autofahrer blenden ein, der Gehsteig ist da gefühlt 30 cm breit - morgen, mit den Ponys, muss ich da auf Straßensperre machen. Bei Tageslicht natürlich. Nachher, dem Tode knapp entronnen, kurz verschnaufend, fiel mir eine offene Türe auf und die Dame in derselben (Sabine) fragte mich, ob ich auch hereinkommen wollte, es gäbe eine Lesung von amerikanischen Autoren und kleine Ausstellung, eine Art Vernissage, und das Beste: Buffet anschließend! Offen für alle Interessierten. Und ob ich interessiert war! Das war ja ein Lotto-Sechser! Interessante Gespräche mit netten Leuten, Kunst=Futter für die Seele, und die Suche nach einem Restaurant, in dem ich eh nur alleine rumsitzen würde, war dann auch entbehrlich geworden.
Ich hatte noch nie etwas von Connie Converse gehört, einer Musikerin, die in den Siebzigern kurz nach ihrem 50. Geburtstag verschwand, aber der Autor eines Buches über sie, Howard Fishman, machte mich durch seine Präsentation so neugierig, dass ich mir das Thema näher betrachten werde. Auch der Vortrag der amerikanischen Poetin Rebecca Kaiser Gibson war – ein mit einem Augenzwinkern dem amerikanischen Alltag entnommenes und gut beschriebenes „Familiendrama“ - hinreißend und komisch zugleich, doch für mich persönlich das Beste daran war, es war mehr oder weniger ein Sprachkurs in zwei Sprachen! Was ich auf Englisch möglicherweise nicht ganz mitgekriegt hatte, das kam tatsächlich in Französisch noch mal rüber. Die Hirnhälften glühten. Faszinierend… würde Mr. Spock sagen.
Faszinierend auch, diese legere Zusammenkunft und nette Atmosphäre der Künstler und des Auditoriums und dann ich mittendrin, die Pilgerin, sozusagen hereingeflattert aus dem Universum des Jakobsweges. Inspiriert und allseits gesättigt machte ich mich auf den Heimweg zurück über die Brücke – diesmal ein Leichtes, alle Autofahrer waren bereits zu Hause.
Danke für dieses tolle Erlebnis!
PS
Wenn jemand der Anwesenden noch den Veranstaltungs-Link hat, und dies hier lesen sollte, möge er/sie ihn bitte in die Kommentare schreiben. Sicher auch für andere interessant. Danke!
Reingehört:
https://www.youtube.com/watch?v=W3IfRX3NwbA
Das Begrüßungs-/Abschiedskomitee in Moissac
Bahnhofsimbiß
Das Kanälchen
sehr gut beschrieben
AntwortenLöschenDanke, Merci, Thank you - whoever sent the comment.
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