"Doch noch ganz gut geworden"
So könnte man den heutigen Tag betiteln, Insider werden wissen, was ich meine 😉
Der Tag fing ja ganz gut an (bis auf das anscheinend ortsübliche etwas magere Frühstück, wie wir wissen..), mit José Ramón und Sang (aus Korea) ließ es sich noch gut scherzen, aber als ich mich aufmachte, die Ponys zu holen, waren schon mal … keine da! Diese M…viecher haben ein Loch in der Hecke schamlos dazu genutzt, abzuhauen. (ich weiß auch, wer jetzt wieder lacht… 😊) Das mußte ich gestern abend übersehen haben…
Ich stapfte durch das dornige Zeug, das da überall wächst, in der Hoffnung, sie wären nur mal schnell „nach nebenan“, doch weit gefehlt. Kein Ponyschwanz in Sicht. Ich rief, weil Saeta ja meistens kommt. Nix. Schöner Mist. Erstmal durch das Gestrüpp wieder nach oben, und dann wollte ich mal der Straße lang und rief und rief. Ein Traktor stand unten mit Fahrer, den könnte man auch befragen. Plötzlich … Hufgeklapper! Saeta! Sie kamen im Stechtrab angelaufen, einen Weg entlang, in meine Richtung, ich gab schon mal Fersengeld. Nicht dass sie sich das anders überlegen. Maja mit „fliegenden Fahnen“, irgendwie hatte sich ihr Halfter halb aufgelöst, sie kriegte ich als erstes zu fassen. Das Halfter schnell wieder zusammengesetzt, Maja an einen Baum gebunden, Saeta hinterher, die wollte lieber wieder weg. Typisch. Meine Rettung: Die holländische Pilgerin, erst stand sie etwas ratlos auf dem Weg, doch ich signalisierte ihr: Arme ausbreiten! Sie hatte auch Stöcke mit. Das half. Daran traute sich Saeta nicht vorbei. Stracks hatte ich die zweite Ausbrecherin eingesammelt und wir stapften zurück zu Josés Garage, wo das Zeug lag (zuvor durfte noch der arbeitslose Zaun abgebaut werden)
Nun gut, mit dem ganzen Adrenalin ging das Aufpacken heute vergleichsweise fix, durch die Verzögerung „Einfangen“ waren wir Punkt elf soweit. Da waren wir alle schon mal schweißnass bei allgemeiner Schwüle. Zu allem Übel meinten meine Gastgeber, sei die nächste Ortschaft, wo die Möglichkeit, Pferde unterzubringen, gut sei, noch 28 km entfernt. Na toll. Soo schnell wollt ichs eigentlich nicht angehen, aber irgendwer hinter den Kulissen scheint dafür zu sorgen, dass ich möglichst fix nach Santiago komme…? Ich warf mal den Rest meines Chi-Boosters ein (danke Mascha, das Zeug ist echt gut) und den würde ich heute brauchen können.
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Der Chef, José Ramón |
Noch frohen Mutes ritt ich dahin, als ein (mal wieder) unerzogener Hund unbedingt die Mädels von hinten beschnuppern /anbellen mußte. Die liebe Besitzerin schrie sich zwar die Kehle wund, aber der Hund war offensichtlich taub. Nicht dass ich Angst um meine Ladys hätte, nein, aber wenn Maja zuschlägt, dann fliegt der Hund. Weit. Den Ärger würde ich mir gerne ersparen. Saeta ist da eher vom Typ vorne dabei und Kopf senken. Schon komisch, wenn der Hund hinter einem Zaun ist, fürchtet sich Maja, ist er aber frei, dann kennt die nix. Der wäre nicht der erste gewesen, nach dem sie tritt. Ich meine, so geht’s ja auch nicht. Sollen die Leute halt ihre Viecher bei Fuß halten. Oder an der Leine, aber sowas hatte sie nicht mal dabei…
Egal, bei dieser Aktion müssen die beiden Ponys leicht aneinander gedrückt haben, schrapp, flog die geflickte Packtasche von gestern wieder runter. Ächz. Da fing es auch noch an zu regnen. Fluch. Beide an den nächsten Stein gehängt, Baum war keiner da. Schadenbegutachtung, die Kabelbinder waren gerissen, beide. Na gut, mal sehen, ob meine besser sind. Zeug raus, wird nässer, Laune wird schlechter, dann kommen noch gefühlt Hunderte von Pilgern vorbei und fragen „Foto?“, während ich fluchend nach den Kabelbindern im Regen suche, im Bemühen, dass das Zeug, das ich zum Reparieren rausholen mußte, nicht noch nässer wird, aber auf die Idee, vielleicht Hilfe anzubieten, kommt da keiner. Na ihr seid mir so Vorzeigepilger…
Knurrend fummelte ich die Kabelbinder in die Löcher, diesmal drei statt zwei, und machte noch ein Abdeck-Tuch drüber, vielleicht waren sie ja bloß abgeschabt worden. Auf bessere Lösung sinnierend, setzte ich mich nach getanem Werk wieder in Bewegung. Immerhin, ein Lob an die Ponys, sie standen wie die Statuen. Sie waren vermutlich noch mit dem Verdauen sämtlicher Hagebutten und Luzerne, die sie sich nächtlich überall zusammengesammelt hatten, beschäftigt.
Weit war ich noch nicht gekommen. Ich erwog sogar, zur albergue zurückzugehen, falls die DIY Reparatur nicht geklappt hätte, zog dann aber vor, nach vorne zu blicken und suchte schon mal Worte wie „Baumarkt“ und „Schraube“ auf Spanisch raus. Diese Leiste muss doch zum Schrauben gehen. Warum die genietete Schiene überhaupt abgefallen war, bleibt unklar. Vermutlich made in China.
Im nächsten Ort kramte ich mein Wissen gleich raus, und erhielt die Auskunft, in Estella gäbe es sowas bestimmt. Das war die nächste Stadt. Manchmal sind Städte ja doch ganz praktisch.
Sobald ich in Estella ankam, begann ich in der Einkaufsgasse mein Glück, zunächst erfolglos, aber im künstlerischen Keramik-Lädchen half mir eine Frau, die hatte glatt die Schrauben in einer Lade. Super, vielen Dank. Leider warens nur drei, und da ich das Universum um acht gebeten hatte, versuchte ich mein Glück noch bei einem Mann, der für eine Aufzugfirma arbeitete und gerade in sein Dienstauto stieg. Volltreffer, der hatte sogar noch bessere Beilagscheiben. Sein Name? Gotzon, was in Baskisch soviel heißt wie: Engel.
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Engel Nr. 1 |
Solchermaßen überwältigt vom Universum und seinen Winkelzügen, summte ich beim Weitergehen vor mich hin, mich wieder an das Lied vom amerikanischen Künstler Fishman erinnernd:
https://www.youtube.com/watch?v=wVGi7DZr45I
Es tröpfelte nämlich schon wieder… Außerdem sah der Typ, der vor mir ging, aus wie der.
Was aber durchaus angenehm war, denn sonst wäre das feuchtwarme Wetter schwer erträglich geworden. Nach Estella hörte es wieder auf, und leichter Wind kam auf. Gerade recht für ein Glaserl Wein? In Irecha befindet sich der legendäre Wasser- und Wein-Brunnen, wo der durstige Pilger seinen Durst stillen kann. Ich nahm mit Peter (NL) und Mattes (B) zu Styx-Klängen ein Achterl Rot zu mir und ritt weiter, der radelnde Mattes fuhr rechts, ich ging links…
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Ein Achterl in Ehren... |
Hätte man vielleicht doch andersrum machen sollen. Ich wollte nicht ganz bis Los Arcos gehen, sondern vorher in den Dörfern schon mal die Leute abklappern und vorher Station machen, doch… der Camino verlief nicht da, wo ich ihn vermutete, ich war wohl auf den Radlercamino geraten, und es kam und kam einfach kein Dorf, nur Felder, Macchia und zuweilen Oliven, und das einzige Nest, das da war, besaß außer einem angebundenen und sehr interessierten Esel auf einer Wiese keine weiteren ansprechenden Möglichkeiten. Esel scheidet wegen Maja aus. Also wieder mal unsere Steherqualitäten testen. Wenigstens schnitt diese Variante ca. einen Kilometer ab. Kleiner Trost.
Der Rest zog sich, ich bin es ja schon gewohnt, dass nachmittags so gut wie nichts mehr los ist auf den Wegen, da legen die meisten wohl schon die Füße hoch und freuen sich geduscht aufs Abendessen, während ich noch meine letzten Kilometer mache. Aber heute war es besonders einsam, so dass ich richtig erschrak, als mich doch ein Radfahrer überholte! Ich war ja auf dem „Radlweg“…
Nach der letzten Fresspause im Olivenhain, der voller Luzerne stand (wo ich gut und gerne kampiert hätte – hätt ich ruhig…) stapften wir noch 6 km bis Los Arcos. Da war beim Ortseingang nix, dann der Bär los, auf der Plaza spielte sichs ab. Es dämmerte bereits. Wenn ich für jeden verblüfften Blick (ich formuliers jetzt höflich) heute einen Euro bekommen hätte, hätte ich im Hotel einchecken können. Wohin ich sowieso mußte, denn die nette Empfangsdame in der albergue municipal sagte mir, im Hotel Monaco wüßte man, wohin mit Pferd. Okay, also dann warten auf jemanden an der Rezeption. Bis mal jemand mit einer Aussage daherkam, wohin nun, dauerte es bis zum Finsterwerden. Na gut, wir haben ja die Nachtausstattung. Blinklicht an. Die Mädels fraßen derweil den Vorpark kurz. Leider seien alle Zimmer voll, aber die Ponys hätten auf einer Farm Platz. Zum Glück kam Paula, die nette Dame, mit mir, ich hätte es nie gefunden. Wir waren auch zuerst beim falschen Bauern, der uns wieder fortschickte. Ich war schon drauf und dran, die Nacht durchzuwandern, da kam die Rettung von links, Jaime, Angestellter des Hotels, fand uns in unserer Not und lieferte die Ponys in einem Paddock ein. Wiederum recht nobel. Mit Alfalfa-Heu… (= wieder Luzerne, ich hoffe die kriegen keine Luzernebäuche und Eiweißschocks heute) Wenn sie mal Pferde haben, die Spanier, dann ordentlich. Wenn man von den armen Pferden heute vor Estella mal absieht. Eines angebunden, damit das andere nicht durch den lausigen Zaun abhaut. Sowas hab ich ja nicht mal in Frankreich gesehen.
Mit letzter Kraft erreichte ich die kommunale Albergue, die mir für sage und schreibe 8 Euro Obdach gewährte, duschen inklusive. 35 Kilometer warens heute, pfuh. Ganz mitleidig wurde ich noch gefragt, obs mir eh gut ginge, und zum Essen bekam ich auch noch was. (Auch wenns offiziell schon zu spät zum Essen war) Hier herrscht noch der rechte Pilgergeist. Das lob ich mir, und kraxelte ins Stockbett. Doch noch ganz gut geworden…
LOS ARCOS Wir haben uns gefreut,dass die Ponys dort gut versorgt würden. Aber dann haben wir erfähren dass für die Versorgung der Ponys nichts bezzahlt wûrde. Jaime wurde nicht für die Versorgung bezahlt. Wir fanden das bedauerlich. Maria und Paula hospitaleros
AntwortenLöschenIch hätte natürlich bezahlt, wenn Jaime was verlangt hätte, hat er aber nicht - vielleicht hat er es deshalb vergessen, weil er mich so schnell hinaus haben wollte? Bitte um die Rechnung oder Kontonummer an isihatsch@protonmail.com, man kann ja auch überweisen. Danke
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