Muschel-Wandertag in Sankt Johann

 

 

 


Eigentlich hatte ich ja den Samstag angepeilt mit der Überwindung des Grenzberges, aber bekanntlich war das ja ein wenig schwierig gewesen, und somit wurde es Sonntag. Die meisten Pilger reisen am Wochenende über St.Jean Pied-de-Port an, weil das für den sogenannten Camino Frances die klassische Route ist. Wenn normalerweise jemand vom Jakobsweg in Spanien spricht, meint er diesen. Ich hatte zwar am Vortag das lustige Treiben in dem kleinen Städtchen schon bemerkt, hätte aber nicht geahnt, wieviele Pilger da tatsächlich unterwegs waren, denn viele sind ja nur „normale“ Touristen (die sich zum Teil mit dem Taxi nach Roncesvalles kutschieren lassen).

In der Herberge in Huntto waren am Vorabend beim Essen noch interessante Gespräche mit einigen Iren gewesen, die auch hinaufwollten, hinüber, nach Roncesvalles (gesprochen Rronces-vajes, oder baskisch Orreaga, wörtliche Übersetzung Tal der Dornensträucher, wobei da gar keine sind), egal was der Wetterbericht so von sich gab. Von Schüttregen über leichte Regenfälle über Gewitter hatte ich alles schon gelesen oder gehört. Aber man ist ja kein Weichei. Yannis, ein Mitpilger, hatte vor, nach Roncesvalles noch weiterzugehen, weil er meinte, in der Klosterherberge dürfte es ganz schön voll werden. Und er hätte auch keine Quartiere reserviert, weil das in Spanien angeblich nicht notwendig sei. Er war (am Vortag, ohne Zwischenstation) auch bei Marie gewesen, und hatte von ihr schon von der Verrückten mit den Pferden aus Österreich gehört :-D Unser Ruf eilt uns voraus.

Der Tag begann um 7:30 tatsächlich mit einem Wolkenbruch. Währenddessen konnte man vom Fenster aus die Karawanen an Pilgern mit ihren verschiedenen Outfits bewundern, die mal schneller, mal langsamer vorbeischlichen, es wollte schier kein Ende nehmen! Ich, unterm Regencape schnell rüber zum Frühstücksraum. Na das fing ja gut an… Ich hatte die Wäsche im Zimmer aufgehängt, sie war aber noch nicht trocken geworden. Mist. Sollte ich mir den Wandertag etwa bis zum Trocknen der Wäsche anschauen und/oder erst morgen gehen? Ach was, das feuchte Zeug einfach in den Sack gesteckt, und den Packzirkus begonnen. In der Zwischenzeit sah ich bereits müde Asiatinnen in der Herberge einchecken, denen langte es nach vier Kilometern Anstieg offensichtlich schon. Yannis war logischerweise schneller als ich mit dem Packen, und ich wünschte ihm noch buen camino, vielleicht würde ich auch noch ein Stück weiter gehen, das war eigentlich eine gute Idee.

Während des Fertigpackens wollte die Pilgerschlange kein Ende nehmen, immer wieder pausierten einige vor dem Tor. Das Stück ist auch eines der steilsten, zum Glück hatten wir da ja gestern Vorarbeit geleistet und waren schon mal auf 500 m Seehöhe. Ziemlich genau um zehn kamen wir los, die Mädels waren sogar auf Zuruf gekommen, spekulierten wohl aufs granülee, das ich ihnen heute natürlich gönnte.

Ab marsch, die Mädels eingehakt und eingereiht, die meisten überholt, hehe… Es sah wirklich aus wie beim Nebelberger Wandertag, nur dass da nicht soviele Asiaten mithatschen. Koreaner, Taiwanesen, Japaner… Immer wieder Autos (Taxis?), die hoch- und runterfuhren. Und – das ärgste – Radler mit den Mountainbikes. Als der Weg von der Straße weg in den leicht gatschigen Bergweg einmündete, gingen sie der Reihe nach ein. Aber sie müssen ja unbedingt den Geländeweg probieren…Ich sag ja immer, wenn ich zu Fuß schneller bin als mit dem Radl, dann pfeif ich aufs Rad.



Meine Ponys marschierten stramm, ich in der Mitte, so hat man immer einen Handlauf und vier bis acht Ersatzbeine im Bedarfsfall. Gegen elf ließ das mittlerweile noch Tröpfeln nach, ich entledigte mich der Regenhose, und die Befürchtung, dass trockene Füße heute eine Illusion bleiben würden, löste sich gemeinsam mit dem Regen auf. Wir waren sensationell gut unterwegs, ließen die Schleicher alle hinter uns, und bis auf ein kurzes Fresspäuschen nach zwei Stunden sind wir durchmarschiert. Nachdem wir den höchsten Punkt bei 1429 m passiert hatten, gabs erstmals ein längeres Fresspäuschen. Die freilaufenden Pferde, recht stabile Exemplare, Stuten, Fohlen, Jungpferde, die auf den Bergen herumlaufen, hatten zum Glück eher Angst vor uns und ließen uns in Ruhe. Die werden sich gewundert haben, was diese kleinen Pferde da auf dem Rücken haben…

Beim Abstieg allerdings waren ein paar davon sehr interessiert an uns, und ich mußte meine isländischen Pferdetreib-Urlaute auspacken, um sie auf Distanz zu halten. Eine Kaltblutstute, die sich mit meinen Mädels anlegen will, brauchte ich nicht unbedingt so nah bei mir.

Die Grenze zu Spanien war so gut wie unauffällig, nur ein Viehgatter und der Roland-Brunnen waren markante Punkte dort. Wo mir zum Glück eine Pilgerin das Türl aufhielt. Buenos dias, Espana! Wenn mans nicht gewußt hätte, man hätte es erst bemerkt, als die Wegweiser die Farbe gewechselt haben – von rot-weiß auf gelbe Pfeile.


 

Dann also der Abstieg, noch ein Viehgatter, bei dem zwei Deutsche halfen, und zack, hatten die Mädels den Kopf wieder unten, es war langes saftiges Gras! Wir waren so gut wie durch, und Roncesvalles nur noch ein, zwei Kilometer entfernt! Das war ja einfach… Ich ließ die beiden wieder grasen, oben auf dem Berg ist ja alles ratzekurz, weil da Kühe, Schafe und Pferde ganze Mäharbeit leisten.

Bei der Ankunft in Roncesvalles waren wir drei noch gut fit, und die Inaugenscheinnahme der Wiese beim Kloster gab nun auch nicht so zu wilden Hoffnungen Anlass, so dass ich mir tatsächlich noch ein paar weitere Kilometer antat, da es auch total flach war. So gondelten wir noch 5 km vor uns hin, bis wir nach 8 Stunden und 30 km bei 4,2 km/h in Bewegung in Espinal eintrudelten, wo ich bei der erstbesten „casa rural“ mit Hand und Fuß nach einem Schlafplatz fragte, und siehe da, es gab ein Einzelzimmer plus saftige Riesenwiese – super. Abends noch ein Abstecher in die Bar, es gab diesmal kein Ei, aber einen Veggie-Burger. Und einen feinen Rotwein. Ganz stolz war ich auf uns.

 


ohne Worte..

Kommentare

  1. Die letzten Etappen hab ich stets Pferdeäpfel und Hufspuren gesehen. Und ich war so gespannt dich zu treffen. Heute auf dem Weg nach Pamplona und ar es dann endlich soweit. Mega cooler blog. Hätte ich doch nur Tagebuch geschrieben. Sehr spannend zu lesen und erinnert mich an meine Etappen :) BUEN CAMINO wünsch ich dir 😁😁😁

    AntwortenLöschen
  2. Super! Buen Camino weiterhin!🤗

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

da

Heimfahrt und Resümee

... bis zum Meer