110, 100, 90, 80, 70.... Countdown

 

Maja kennt sich aus, auf der galizischen Drainageroute

Als ich morgens am Packen war, zogen bereits die Karawanen von frischg’fangten Pilgern vorbei – jene, die in Sarria ihren 110-Kilometer-Wochen-Spaziergang begannen, die man an ihren schönen Schuhen und den sauberen Rucksäcken sofort erkannte. Auch am forschen Schritt manchmal. Ab 100 Kilometern Pilgerschaft erhält man die so genannte Compostela, Radfahrer erst ab 200. Nur e-bike darf man dabei nicht fahren (haha, das schau ich mir an, wie das kontrolliert wird). Für uns alte Hasen sind diese Kilometerzahlen leicht lachhaft, die meisten, mit denen man nun schon einige Wochen unterwegs war, gingen ab St.-Jean-Pied-de-Port, manche tatsächlich von daheim weg und wieder andere fingen in Frankreich oder mitten in Spanien an.

Stichwort Compostela: Luna hatte sich gedacht, Compost-ela, das taugt gut zum Kompost-ieren von … nun, was auch immer man gerade transformieren möchte. Auch im Französischen wird eher Compostelle als Saint-Jaques verwendet, wenn von Santiago die Rede ist. Eigentlich könnte der Ort ja auf Deutsch Sankt Jakob heißen…

Nun gut, abermals einreihen in die Wanderschlange, schon bei Kilometer 1 traf ich die kleine Brasilianerin mit den lustigen Strümpfen, die mir in Pamplona mit den anderen vorausgegangen war. Wir verstanden zwar kein Wort vom jeweils anderen, aber das Wiedersehen war freudig und die Freude kam von Herzen. So soll es sein.

Heute war auch eine Rotte Radler unterwegs, wie sich später herausstellte, eine Schulklasse aus Irland. Die machen den Camino von der Schule aus, na da schau her. Sie waren zwar nett, aber manche etwas chaotisch. 

Der Hundert-Kilometer-Stein, der erstaunlicherweise nicht ver“schönert“ worden war, wurde heute passiert, die Galizier packen gefühlt alle 20 Meter einen km-Stein an den Rand, stimmen tuts nicht immer, aber egal. Portomarin lag heute auch am Weg, mir eher im Weg, weil ich wollte fix nicht in der Stadt bleiben, weil es auch so schon schwierig genug war, so auch heute wieder. Es half weder die Telefoniererei, noch die Fürsprache von zwei Holländern, denen ich begegnete und die ungefähr mein Tempo hatten und Spanischkenntnisse, noch die Mühe von Angelika und Peter, die ich in meiner Not auch schon eingeschaltet hatte. Sie erfragten vor Ort, ob es eine Möglichkeit für die Ponys gäbe. Die Antworten waren enttäuschend bis konfus. Alles dabei. Die Leute checkens einfach nicht. Und/oder wollen nicht. Der hospitalero von der albergue municipal, also von der Gemeinde aus, sagte zu Angelika, es gäbe eine Gemeindewiese, dort könnte ich die hinstellen. Allerdings am anderen Ende vom Ort. Das wäre so schlimm nicht gewesen, aber wo die sei, konnte dann später der hospitalero, den ich vor mir hatte, nicht erklären, nein, hier wäre kein Platz außer Anbinderingen vor der albergue. Ich frage mich bis heute, ob das der gleiche war…

"Fun" fact: auf der Prioritätenliste in der Gemeinde-albergue steht, Priorität 1 für behinderte Pilger, 2 für Fußpilger mit Rucksack, 3 Pilger mit Pferd… 4 Radpilger… etc. Das zeigte ich ihm kurz, er meinte, ja ich könnte jederzeit einchecken, aber die Ponys… die bräuchten doch einen Stall?? Ich gab es auf. Immerhin hatte ich gestern geduscht. Da blieb nur noch warten, bis es dämmerte und das Zelt und den Zaun in der nächstbesten Wiese aufbauen. Was der Bauer nicht weiß….

 

Die Nacht war unruhig, die Hunde bellten wie die Verrückten, einmal muß einer bis zu den Ponys gekommen sein, kurz fürchtete ich, sie wären weg, doch anscheinend hatten sie kurzen Prozess mit dem gemacht und ihn vertrieben. Gut, dass sie da so selbständig sind.

Da ich schon um neun im Schlafsack lag, wars um sechs Uhr morgens eh schon fad. Leider wars nicht so trocken wie beim letzten Mal, so dass ich das Zelt nass einpacken mußte. Ich hoffte einfach mal auf einen besseren Abend, mit Trocknungsmöglichkeiten. Mit Stirnlampe fertigmachen klappt mittlerweile so halbwegs, und um halb neun war ich on the road, die Ponys halb aus dem Schlaf reißend, die lagen um sieben noch. Ich fand bald eine Bar zum Frühstücken, mit Wiese davor. Dort war am Vorabend natürlich keiner ans Telefon gegangen, das wäre der perfekte Platz gewesen. Wenigstens hatten heute bei allen Mahlzeiten alle eine Essenspause. Beim Mittagessen wieder. Ich traf Heather und Onkel Jerry wieder, und blöderweise fiel mir bei der Mittagspause mit den beiden ein Inlay aus dem Zahn, wie ärgerlich. Aber: the Camino provides! Onkel Jerry hatte Zement zum Kleben mit!! Ein Traum! Ich mußte nur noch eine Gelegenheit finden, die Operation durchzuführen.

Es wurde sonnig und sehr warm. Wir schlichen nur noch durch die Lande, insbesondere, da ich mir zum Mittagessen ein kleines Bier gegönnt hatte, und wir schleppten uns mehr oder weniger noch durch einige Dörfer und den Ort Palas del Rei, und heute hatten wir Glück: mein Reiseengel fand eine Bleibe in einer alten Mühle, wo ich gleich hinter den Unterkünften die Mädels unterbringen konnte. Und das Zelt bei Sonne trocknen, und duschen und Haare waschen, und und und. Man ist gleich viel zufriedener, zumal die heutigen Abendessenskollegen allesamt sehr nett waren, sogar Miss America war heute etwas leiser unterwegs – es waren aber auch keine anderen dabei ;-)

Wir hielten bei 65 km, jetzt hieß es noch Feintuning machen fürs Finale.

 

schaut fast aus wie daheim

 

leider verwackelt - das Lackrucksäckchen und Designerhoserl der 5-Tages-Pilger

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